Erkrankt ein Arbeitnehmer an dem Coronavirus, gelten die Regeln über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Schwieriger zu beurteilen ist hingegen die Rechtslage, wenn ein/ Arbeitnehmer*in zwar positiv auf das Virus getestet wird, aber keine Krankheitssymptome zeigt oder als „Verdachtsfall“ eingestuft wird und daher entweder infolge einer behördlich angeordneten Quarantäne oder eines Ausschlusses durch den Arbeitgeber an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert wird, etwa weil eine – grundsätzlich vorrangig anzubietende – Home-Office-Tätigkeit in dem konkreten Arbeitsverhältnis nicht möglich ist. In diesen Fällen liegt keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vor, so dass eine Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG ausscheidet.
Ein Beschäftigungsverbot durch die zuständige Behörde aufgrund einer positiv festgestellten Coronavirus-Infektion oder aufgrund eines Verdachtsfalles gemäß § 31 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) stellt grundsätzlich ein in der Person des/r Arbeitnehmers*in liegendes, unverschuldetes Leistungshindernis nach § 616 Abs. 1 BGB dar und kann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber auslösen, wenn dem/r Arbeitnehmer*in kein Verschulden vorzuwerfen ist. Bei einer Reise in eine Gegend, die vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuft wurde, kann allerdings ein durch den/die Arbeitnehmer*in verschuldetes Leistungshindernis vorliegen, das den Lohnersatzzahlungsanspruch ausschließt.
Dies gilt auch für den Fall einer positiv festgestellten Coronavirus-Infektion, wenn der Arbeitgeber dem/r Arbeitnehmer*in ihm/ihr die Beschäftigung verweigert. Auch ohne behördliche Anordnung ist der Arbeitgeber nämlich gegenüber seinen übrigen Arbeitnehmern*innen aus dem Arbeitsverhältnis aus Gründen des Arbeitsschutzes und gegenüber jedermann aus Gründen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht verpflichtet, den Betrieb von Ansteckungsgefahren freizuhalten.
Anders zu beurteilen dürfte dies jedoch in den Fällen einer vom Arbeitgeber nur vermuteten Coronavirus-Infektion sein. Hier ist der/die Arbeitnehmer*in nur dann verhindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wenn objektive Umstände – wie etwa grippeähnliche Symptome, der dem Arbeitgeber bekannte Kontakt mit einer positiv getesteten Person oder der Aufenthalt in einem vom RKI als Risikogebiet eingestuften sog. „Corona-Hotspot“ den Verdacht begründen. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber, der grundsätzlich das Betriebsrisiko trägt (§ 615 S. 3 BGB), die ihn zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet. Liegt ein begründeter Verdachtsfall vor, liegt eine vorübergehende Verhinderung vor, die dann gem. § 616 BGB zu einer Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber führt, wenn der/die Arbeitnehmer*in diese nicht verschuldet hat.
Die Furcht des/der Arbeitnehmer*in vor einer Ansteckung auf dem Arbeitsweg oder im Betrieb genügt im Übrigen grundsätzlich nicht, um die einen Fall des § 616 BGB zu begründen. Unterlässt der Arbeitgeber jedoch bei einem konkretem Infektionsverdacht in seiner Belegschaft Maßnahmen zum Schutz der übrigen Beschäftigten – etwa durch die Freistellung der infizierten Person – ist den Kollegen*innen die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar gem. § 275 Abs. 3 BGB, ohne dass der Gehaltszahlungsanspruch entfällt (Abwägung im Einzelfall).
Insgesamt besteht der Anspruch nach § 616 Abs. 1 BGB nur, wenn sich die Verhinderung von vornherein auf einen „verhältnismäßig geringen Zeitraum“ beschränkt. Bei längerer Verhinderung entfällt er gänzlich, so dass der Arbeitgeber nicht etwa zunächst für eine verhältnismäßig geringe Zeit zur Zahlung verpflichtet bleibt (std.Rspr. seit: BAG, Beschl. v. 18.12.1959 - GS 8/58 -). Da die Arbeitsverhinderung dabei einer (potenziell) ansteckenden Person ihrem Wesen nach einer Verhinderung durch Krankheit nahekommt, ist jedenfalls bei einem länger andauernden unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis die allgemein für Erkrankungen geltende Sechs-Wochen-Frist heranzuziehen (vgl. BGH Urt. v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 –).
Da die Vorschrift des § 616 BGB durch individual- oder kollektivvertragliche Vereinbarung abdingbar ist, empfiehlt sich vorab ein Blick in den jeweiligen Arbeitsvertrag. Für diese Fälle sowie im Falle der Überschreitung des „verhältnismäßig geringen Zeitraums“ sieht § 56 Abs. 1 IfSG bei behördlich angeordneten Beschäftigungsverboten eine Lohnersatzzahlung für die ersten sechs Wochen in Höhe des Verdienstausfalles und ab der 7. Woche in Höhe des Krankengeldes vor. Liegen jedoch arbeitsrechtliche Lohnerhaltungstatbestände (z.B. Entgeltfortzahlung gem. § 3 EFZG oder § 616 S. 1 BGB) und eine behördliche Anordnung kumulativ vor, geht die Rechtsprechung von Vorrang der arbeitsrechtlichen Lohnerhaltungstatbestände aus, d.h. der Arbeitgeber kann von der Behörde keine Erstattung der Lohnfortzahlungsansprüche verlangen.
Arbeitgeber können in Fällen der Existenzgefährdung aufgrund behördlich auf der Grundlage des IfSG angeordneter Maßnahmen die Erstattung der nicht gedeckten Betriebsausgaben gem. § 56 Abs. 4 S. 2 IfSG beantragen.
Gerne beraten Sie unsere auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwälte als Arbeitnehmer*in oder Arbeitgeber in Bezug auf sämtliche entgeltfortzahlungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise.
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