Erstes höchstrichterliches Urteil (BAG: Urteil vom 5.12.2024 zum Zeichen 2 AZR 275/23) zur Auslegung des § 15 Abs. 3 TzBfG nach seiner Neufassung:
- von Morgen & Partner

- 1. Okt.
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Eine vereinbarte Probezeit, die der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, ist in der Regel unverhältnismäßig. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung ist je nach Ausgestaltung des befristeten Arbeitsvertrags möglich.
Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 (im Folgenden: Arbeitsbedingungen -RL) - konkret von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 - wurde mit Wirkung zum 1.8.2022 § 15 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) neugefasst. In Absatz 3 heißt es nunmehr: „Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“
Bisher wird die Frage des angemessenen Verhältnisses von Befristungsdauer und Probezeit im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Während die einen der Auffassung sind, die Probezeitdauer müsse im prozentualen Verhältnis zur Befristungsdauer stehen und dürfe einen Wert von 25-50 Prozent nicht überschreiten beurteilen die anderen die Frage der angemessenen Probezeit allein an dieser Dauer und vertreten die Auffassung, dass diese maximal sechs Monate betragen dürfe, wohin gegen bei einer Befristung von unter 12 Monaten auch diese herabzusetzen sei. Mit seinem Urteil vom 5.12.2024 hat das Bundesarbeitsgericht nun eine erste, wegweisende Entscheidung getroffen und entschieden, dass jedenfalls eine vereinbarte Probezeit, die der Dauer des (befristeten) Arbeitsverhältnisses entspricht, in der Regel unverhältnismäßig ist. Daneben äußerte sich der erkennende Senat zu den Rechtsfolgen einer unverhältnismäßigen Probezeitvereinbarung. Je nach konkreter Ausgestaltung des Einzel- oder Tarifvertrages, komme eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung (§ 15 Abs. 4 TzBfG) in Betracht.
Der Fall:
In dem zugrundeliegenden Fall vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis am 1.9.2022 beginnen und zunächst auf Probe bis zum 28.2.2023 andauern sollte. Weiter vereinbarten die Parteien: „Das Probearbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit begründet. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen schriftlich gekündigt werden.“
Zur Unverhältnismäßigkeit:
Das Bundesarbeitsgericht legte zunächst dar, dass die Auslegung des § 15 Abs. 3 TzBfG mangels konkreter Angaben auch in Zukunft Herausforderungen mit sich bringen wird. Weder Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsbedingungen- RL noch § 15 TzBfG enthalten nach ihrem Wortlaut ausdrückliche Regelungen zur zulässigen absoluten oder relativen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis. Zudem wurde weder ein diesbezüglicher Änderungsantrag im Europäischen Parlament im Ergebnis Inhalt der Richtlinie, noch konnte sich der deutsche Gesetzgeber zu einer näheren Ausgestaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 TzBfG entschließen, obwohl er die Unbestimmtheit bereits erkannte (BR-Drs. 154/1/22, S.4, Plenarprotokoll der 1021. Sitzung des Bundesrats, S. 182)).
Weiter ließ der Senat jedoch offen, ob die Gerichte für Arbeitssachen angesichts der bewusst unbestimmten Ausgestaltung berechtigt sind, Grundsätze für das Verhältnis der Dauer der Befristung zur vereinbarten Probezeit zu bestimmen, oder ob nicht künftig Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten sind, da jedenfalls in dem vorliegenden Fall nach den normativen Vorgaben ohne Hinzutreten von besonderen Umständen die Vereinbarkeit einer Probezeit über die gesamte Dauer der Befristung unwirksam ist.
Die Unwirksamkeit ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 TzBfG. Eine Probezeitdauer kann nur im Verhältnis zur Befristungsdauer stehen, wenn sie nicht die gesamte Dauer umfasst. Eines „Ins-Verhältnis-setzen“ bedürfe es nicht, wenn beide gleich lang seien. Weiter zeigt sich die Unverhältnismäßigkeit durch das Normverständnis der Arbeitsbedingungen-RL und ihrer Erwägungsgründe. Beispielsweise darf auch in unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Probezeit nicht länger als sechs Monate betragen. Hiervon kann nach der Richtlinie im Einzelfall abgewichen werden, wohingegen für das Verhältnis von Probezeit und Befristungsdauer keine Ausnahmeregelung geschaffen wurde. Auch dies zeige umso mehr, dass eine Probezeit kürzer als die Befristungsdauer sein müsse.
Zur Umdeutung in eine ordentliche Kündigung
Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung lässt jedoch im vorliegenden Fall die ordentliche Kündbarkeit unberührt. Hier stellt das Bundesarbeitsgericht klar: Zwar fehle es im Falle eine unwirksamen Probezeitvereinbarung erneut an einer gesetzlich verankerten Rechtsfolge, gleichwohl lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen (BT- Drs. 20/1636 S.34), dass in einem solchen Falle [lediglich] die verkürzte Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB nicht greife. Hieraus schlussfolgert das Bundesarbeitsgericht, dass bei einer Abrede über die Kündbarkeit neben oder in der Probezeitvereinbarung, die ordentliche Kündigungsmöglichkeit bestehen blieben soll.
Dies bedeutet: Sofern eine Kündbarkeit des befristeten Arbeitsvertrages während der Dauer der Probezeit oder während der Dauer der Befristung vereinbart wurde, ist für einen verständigen Arbeitnehmer ausreichend klargestellt, dass während der Dauer des befristeten Arbeitsvertrags die Möglichkeit seiner vorzeitigen Beendigung durch eine ordentliche Kündigung besteht. Die Voraussetzungen des § 15 Abs.4 TzBfG liegen damit auch bei einer unwirksamen Abrede noch vor.
Im vorliegenden Fall endete das Arbeitsverhältnis mithin nicht mit Ablauf von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung, sondern in Anwendung der Frist des § 622 Abs.1 BGB von vier Wochen zum Ende des Monats. In diesem Umfang hatte der bis dahin unterlegene Kläger mit seiner Revision Erfolg.
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